Vom Anfang der Jakobikirche

Über Kirchrodes Geschichte wurde schon viel berichtet; zu den Anfängen unserer Kerk sind die Erkenntnisse noch nicht so weit gediehen. Aufschluss bietet zunächst ihre Bistumsgeschichte.

Sie beginnt mit der Begründung des Bischofssitzes in Hiltenes-hem 815/818 durch Ludwig den Frommen. Zu diesem gehörte unser Rode im „Ortland“, einem wenig erschlossenen „Land“ im „Go Astfala“, dem größten Gau der Provinz Ostfalen. Das Ortland lag zwischen den altfränkischen Siedlungsgebieten der „Kleinen und Großen Freien“. Es grenzte westlich an das mit dem Marstemgau anstoßende Bistum Minden und die Nachbarprovinz Engern (Calenberger Land), nördlich und östlich u.a. an die Grafschaft  Überm Moor (sp. Burgwedel). Die vielfältigen Grenzen in unserer Region waren infolge ausgedehnter Siedlungstätigkeit und Veränderungen der Herrschaftsverhältnisse in Bewegung. Davon zeugen Grenzstreitigkeiten in den Jahren 983-993, 1007 und 1033. Bedeutsam für die Anfänge unserer Pfarrkirche war die erstere Festlegung der Hildesheim-Mindener Bistumsgrenzen in der bekannten „Schnedeurkunde“; sie wurde vom Kaiser Otto III. auf Bitten Bischof Bernwards, seines Lehrers und Erziehers, veranlasst.

In der politischen Gemengelage alter Herrschaftsstrukturen der Bistümer und Klöster, der Gaue bzw. Grafschaften und Vogteien sah sich das Bistum zur Sicherung des Grenzsaums und missionarischen Erschließung veranlasst. An den Ding- und Malstätten, wo das „Volk sich von alters her versammelte“, wurden Taufkirchen gestiftet und Parochien eingerichtet; so verfuhr der Bischof auch im Ortland am nordwestlichen Schnittpunkt seiner Grenzen von Anderten zur Leine und von Döhren zur Wietze. Er ließ durch einen Rodungsvogt mit rodungswilligen Bauernsöhnen an alter Dingstätte auf der Erhebung des „Hüllen“ (wie Hill, Hilig) am Abhang des Kronsberges über sumpfigen Waldniederungen Bistumsland roden und eine Kirche nebst Pfarrhaus und Opferey errichten. Sie lag im „Hainholz“, einem Eichwald mit umfriedeter heiliger Stätte, wie Pastor Böttcher in seiner Chronik von 1858 vermutet.
 
„Es mochte wol nicht vor 850, vielleicht erst zwischen 900-1000 nach Christo sein, als hier der erste christliche Altar aufgerichtet und darüber von rohen Steinen ein Häuslein erbaut wurde.“
 
Auch neuere Feststellungen (Paul Theile) gehen davon aus, dass bereits zu Beginn der Rodungszeit um das Jahr 1000 ein einfacher Kirchbau auf dem Hillen gestanden hat.
 
In dieser Zeit begann Bischof Bernward eine umfassende Verwaltungs­reform: Aus Pfarrsprengeln entstanden „Archidiakonate“ mit Sendgerichten zur Ordnung kirchlicher und weltlicher Angelegenheiten und an deren Sitz „Sedeskirchen“ (sedes synodales). Zu diesen zählte auch das Archidiakonat Sarstedt für das Gebiet des früheren Gau Hassel (bei Lühnde). Diesem wurde wegen seiner besonderen Ausdehnung ein weiterer Sendstuhl zugeordnet, und zwar mit Sitz in Rode. Er ist im ältesten erhaltenen Verzeichnis der „Urarchidiakonate“ aufgeführt, das auf  Register des 12. Jh. zurückgeht. Seine Rundverfügungen an die „plebanos sedium ecclesiarum“ adressierte der Hildesheimer Offizial auch an unseren Pfarrherrn zu Rode. Bernhards Reform wurde durch seinen Nachfolger, dem Bischof Godehard (1022-1038) abgeschlossen, dem besonders an der landwirtschaftlichen Förderung lag.
 
Einen authentischen Bericht (1920) über diese Entwicklung bietet Bischof Machens anhand seiner Hildesheimer Register und Urkunden. Auch neuere Untersuchungen des Direktors des Historischen Museums Dr. Plath und unseres Gemeindegliedes v. Falkenhausen zur Ortsgeschichte (1966/1987), über die noch zu berichten ist, führen zu dem Ergebnis, dass diese Sedesgrenzen auch unserer Kerk in Rode bereits vor dem Tode Godehards (1038) festlagen.
 
Die Sedeskirchen gründeten wiederum Tochterkirchen, die ein Kirchspiel bildeten. Mit 17 überwiegend heute noch vorhandenen Dörfern hatte unsere Pfarre als bischöfliche Stiftung damals die im Lande reichste Ausstattung mit Pfarrgütern und -einnahmen. Das älteste erhaltene Lagerbuch Jakobi berichtet über die Beköstigung der „Senntpapen und den andern Hern von Doern und Bodtfelt mitt öhren Cüsters und den Olderlüden“ durch den Pfarrherrn und dessen Kirchenvorstand, der für Bier sorgte – eine anregende Tradition!
Demnach zählt auch Jakobi spätestens zu Godehards 30 Kirchstiftungen und wurde vor 1038 und zwar – wie Böttcher annimmt – an einem 25. Juli, dem Tag des Heiligen Jakobus, geweiht. Dessen legendäres Grab war im 11. Jh. zu einer Hauptwallfahrtsstätte geworden.
 
Während in früher Zeit meist nur von einer „Kerk to Rode“  zu lesen ist, wird unsere Kirche 1295 erstmals als „ecclesia Sancti Jacobi“ beurkundet, der die Abtrennung ihrer Bothfelder Parochie mit zwei Hufen in Bemerode vergütet wird.
1419 wird unser Patron als „sunte Jacoppe“ und dessen „Jacobschen Kamp“ erwähnt. Zur Namensgeschichte verdanken wir v. Falken­hausen auch einen Hinweis auf unser Lagerbuch 1483: Darin wird die frühe Verbindung unserer Kirche mit einem Sanct Antonius-Altar dokumentiert. Dies lässt aber unsere lutherische Chronik als „papistisches Zeugnis“ im Abdruck unerwähnt und schließt wohl eine vormalige „Antoniuskirche“ als Patronat des Hildesheimer Stadtheiligen bei uns aus.
 
Nach den Anfängen des vermuteten Behelfsbaus im Hainholz wurde mit dem Sendgericht eine angemessene Sedeskirche errichtet. Einen Hinweis zur zeitlichen Bestimmung gibt das beim Nachbarn Behre (1964) entdeckte romanische Würfelkapitell aus Elmkalkstein. Seine Kopie ist in unserer Kirche zu besichtigen. Die reliefartig hervorgehobenen, halbkreisförmigen Scheiben in Anlehnung an Hirsauer Schmuckformen weisen auf Bauformen in Idensen und Fischbeck und belegen für die Mitte des 12. Jh. Arbeiten an einem für die Region typischen romanischen Kirchenbau, der durchaus auch älter sein mag.
 
Über die Baugestaltung der im vergangenen Jahrtausend auf dem Hillen folgenden Jakobi-Kirchen wird noch zu berichten sein. Zunächst aber stellt sich neben der Kirchengeschichte die Frage unserer Ortsgeschichte, ob sich schon vor dem bischöflich gestifteten Kerk-Rode erste Siedler im Dorp-Rode um einen Dorfteich am Klönschnack zusammenfanden.
 
 
 

Dr. Herbert Claeesen